Das Tabakensemble Zurück zur Übersicht
Der Tabak prägte einen Teil der Hockenheimer Geschichte und ihrer Menschen zwischen 1860 und 1960 und war ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Vom Anbau bis zur Verarbeitung zum fertigen Produkt gab er den Menschen Arbeit und Brot. Besonders die Frauen hatten in den Fabriken und auf den Äckern Gelegenheit Geld zu verdienen und so zum Unterhalt der Familie beigetragen. Philip David Schwab, von 1854 – 1857 auch Bürgermeister, hat aufgrund seiner hervorragenden Kenntnisse im Tabakbau, Hockenheim zu einem bekannten Ort des Tabakbaus in Baden gemacht. Auf sein Anraten hin gründeten seine Freunde Piazolo und Ikrath im Jahre 1860 die erste Zigarrenfabrik in der Karlsruherstraße vor der Zehntscheuer. Anfänglich waren 60 Leute beschäftigt, vorwiegend Frauen und auch Kinder ab 12 Jahren. (Damals endete die Schulpflicht mit 12 Jahren)
Um 1900 gab es 28 Zigarrenfabriken mit über 2000 Beschäftigten, nicht gezählt die Heimar-beiterinnen, die vor allem den zahlreichen Kleinbetrieben zuarbeiteten. Hockenheim hatte zu diesem Zeitpunkt ca. 6000 Einwohner. 1904 übernahm die Großeinkaufsgenossenschaft (GEG) Hamburg einen bereits bestehenden Betrieb in der Luisenstraße, wo ein neues Gebäude bis 1911 erstellt wurde. Im Jahre 1933 wurden hier 700 Mitarbeiter/innen beschäftigt.
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Es herrschten dort gute soziale und hygienische Verhältnisse. Bahnbrechend war die Gewährung von Leistungszulagen und eine Pensionskasse.
Außerdem gab es eine große Anzahl von Tabakmagazinen. Wirtschaftlich müsste man von Manu-fakturen sprechen, weil die Zigarre nur in Handarbeit gefertigt wurde. Im Volksmund sprach man von einer „Zigarrenquetsch“
Bis 1979 wurde in der Nähe des Bahnhofes von der Firma August Neuhaus (Schwetzingen) von ca. 100 Beschäftigten Zigarren hergestellt. 1983 wurden die Gebäude abgerissen und auf dem Gelände Wohnhäuser erstellt.
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Der Tabak gehört botanisch zur Familie der Nachtschattengewächse. Einem Wunder gleich ist die Wirksamkeit des Saatgutes, 1 Gramm Saat enthält ca. 14.000 Körner. Eine Tabakpflanze produziert bis zu 20 g Saatgut. Das ist ausreichend für 3 ha oder bis zu 120.000 Pflanzen. Aus dem Saatkorn von etwa 0,1 mg wird eine Pflanze von etwa 2 kg und einer Höhe von 1,80 m. Die win-zigen Saatkörner werden in Saatbeete mit Wasser vermengt in einer Gießkanne ausgegossen. Die Pflänzlinge werden nach 6-8 Wochen im freien Feld ausgepflanzt, nach 3 Monaten ist Erntezeit. Die Tabakernte erfolgt blattweise und erstreckt sich über 6-8 Wochen lang, von Juli bis September. Stufenweise werden die Blätter von unten nach oben geerntet. Zuerst die Grumpen, dann das Sandblatt, als nächstes Haupt- und Mittelgut, sowie zuletzt das Obergut.
Eine Tabakanbaufläche von ca. 80 Ar beschäftigte eine vierköpfige Familie das ganz Jahr und erbrachte einen erlös von ca. 50 Zentnern. 1951 gab es in Hockenheim noch 190 Tabakpflanzer mit einer Anbaufläche von 72 ha, 1984 nur noch 10 mit einer Anbaufläche von 10,75 ha.
Mit dem Fuhrwerk hat der Bauer die in Buscheln gebundenen Tabakblätter nach Hause gefahren.
Das Einfädeln des Tabaks, das natürlich längst maschinell gemacht wird, war zwar keine leichte Arbeit mit Faden und Schnur (Bandelier), aber man saß dabei in großem Kreis zusammen, holte aus der Nachbarschaft, Verwandtschaft und der ganzen Umgebung Frauen und Mädchen zusammen, die Blatt für Blatt auf die Nadeln fädelten. Dabei war auch Zeit zur Unterhaltung und zum Gespräch, und die Tabakbauern ließen ihre Großzügigkeit bei zünftigem Vesper und Most erkennen.
Jedes Bandelier wurde einzeln der Reihe nach an zwei Enden zum Trocknen in der Tabakscheune aufgehängt. (An die hohen Trockenscheunen erinnert heute die Bahn-steigüberdachung am neuen Bahnhof zwischen Gleis 2 und 3, die stilistisch dieser Bauweise nachempfunden wurde). Sobald der erste Tabak getrocknet war, wurden 3 Bandelier in einem Kasten 20x40 cm verpackt und je nach Sorte in gewissen Zeitabständen verkauft. Ein Zentner Tabak erzielte 1955 je nach Sorte und Güte zwischen 120 und 450 DM.
Die Zigarre wurde in reiner Handarbeit hergestellt und „Vater Staat“ sorgte dafür, dass das lange Zeit so blieb, indem er im Jahre 1933 ein Maschinenverbotsgesetz erließ, das erst im Jahre 1956 aufgehoben wurde. Einlage, Umblatt und Deckblatt sind die Bestandteile der Zigarre. Aus Einlage und Umblatt wird der Wickel hergestellt.
Durch das Überrollen des Wickels mit dem Deckblatt entsteht die fertige Zigarre. Es handelt sich also um zwei getrennte Arbeitsgänge: Wickelherstel-lung und Überrollung. Ursprünglich formte die Wickelmacherin die Einlage mit der Hand zu einer so genannten „Puppe“. Sie musste das Gefühl für die richtige Tabakmenge und auch für die richtige Form haben.
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Die vorgeformte „Puppe“ legte sie dann auf ein Tabakblatt – das Umblatt – und rollte vorsichtig den Einlagetabak in das Umblatt zum Wickel ein. Später wurde mit Hilfe von Wickelböcken die Handformung des Wickels ersetzt. Dieser wurde dann in die Wickelform eingelegt, getrocknet, gepresst und erhält so seine endgültige Form.
Nach der Herstellung des Wickels übernimmt die Zigarrenmacherin das Überrollen des Deckblattes. Hierzu wird ein so genanntes Rollbrett und ein besonders geformtes Spezialmesser – mit dem das Deckblatt zugeschnitten wird – verwendet. Je nach Fasson der Zigarren ist dieser Zuschnitt unterschiedlich und erfordert eine hohe Kunstfertigkeit.
Die legendären Zigarrenwicklerinnen wurden hier in Form eines Denkmals gewürdigt.
Mit einem herzlichen Dank an Hans Christ vom Tabakmuseum in der Unteren Mühlstr. 4 in der Zehntscheune
Ein Besuch lohnt sich allemal.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Donnerstag und jeden zweiten Sonntag im Monat von 15 bis 17 Uhr
Feiertags geschlossen, Gruppen nach Vereinbarung, der Eintritt ist frei.
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