Windbruch
von Rudolf Wachter, 1923-2011

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Rudolf Wachters fünf Meter hohe Stamm-Skulptur aus tropischem Dibutij-Holz, eine Arbeit aus der Serie „Windbruch“ entstand 1984. Sie setzt im Gelände, auf einer Anhöhe aufgerichtet, einen unübersehbaren Akzent, dessen Monumentalität freilich im wahrsten Sinn des Wortes „gebrochen ist“. Der Künstler schreibt selbst dazu:
“Abgeleitet vom Wuchs des Stammes, seiner Krümmung und Flächenhaftigkeit, ist eine Arbeit entstanden im geknickten Ablauf und mit einem dreieckigen Grundriss. Das Bewusstmachen der Natureigenart, vereint mit technischer Erfahrung, führt zur Skulptur. Gleich einer Säule aufgestellt,
widerspricht die Plastik diesem Bild in allem: Eine Säule hat eine Mittelachse; die Symmetrie vermittelt Ruhe, Zentralisierung und befriedigt als Stütze. Hier existiert eine Senkrechte nicht. Ein Halt wird nicht geboten. Die Aufwärtsbewegung erfolgt in Schrägen. Der Knick leitet eine Richtungsänderung ein. Seine Betonung durch den Einschnitt erzeugt Irritation. Die Seitenflächen erfahren eine leichte Zuwendung nach dem „Fast-Bruch“. Das alles kann als Anspielung auf menschliches Dasein ausgelegt werden. In der Natur ist das Infragestellen“ somit schon vorgezeichnet. Der dreieckige Grundriss als raumbestimmende Form behauptet sich

Teil 2:

überzeugend aus der Ferne. Seine Tradition, die sich auf Akzentuierung des Landschaftsbildes gründet, ist ablesbar in italienischen Burg- und Dorf-kirchen mit nur drei Seiten. Die Erwartung liegt im rechten Winkel. Das gewohnte Sehbild wird nicht mehr zufriedengestellt. Das provoziert genaues Hinsehen.“
Faszinierend an dieser Arbeit ist ihre Ökonomie. Die Relation zwischen Aufwand und Resultat. Es sind zumeist wenige, aber sehr gezielt gesetzte Schnitte mit der Kettensäge, die die gewünschte Form verursachen – eine Form, die nicht gegen, sondern mit dem lebenden Material entsteht und so dieses dazu bringt, sich selbst zu artikulieren: Der mit chirurgischer Präzision angebrachte

Schnitt verursacht die Neigung der Säule. Für die Gartenschau wurde diese Arbeit ausgewählt, weil ihre beschriebene Machart viel zu tun hat mit der Frage nach unserem Verhalten zur Natur. Darüber hinaus schien sie hervorragend geeignet, nicht lediglich einen statischen Akzent im Gelände zu setzen, sondern von exponierter Stelle aus auf die Vielfalt der Blickpunkte und Perspektiven, die sich dem Parkbesucher öffnen, noch einmal in konzentrierter Form aufmerksam zu machen – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Diese Vielfalt der Perspektiven wird von der Skulptur sowohl richtungsweisend, wie ein Wegzeichen, gleichsam aktiv artikuliert, als auch
passiv, auf sie selbst bezogen: So sparsam und rational ihre formale Bearbeitung ist, so komplex ist tatsächlich ihre Gestalt. Beim Versuch sie zu beschreiben, wird man rasch an jene Grenzen kommen, die der Erscheinungen des Organischen eigen ist. Dies ist umso bemerkenswerter, da die Skulptur im Ansatz her eher konstruktiv angelegt ist. Sie lebt nicht zuletzt aus dieser Spannung zwischen Rationalität und Irrationalem, expansivem und introvertiertem Verhalten, Raumbezug und Materialität, plastischer Realität und flächiger Präsenz, bei dem auch die Kontraste von Licht und Schatten und die Strukturen der Oberfläche mitsprechen.
Rudolf Wachter hat zum Holz – besser zum Baum, zum Stamm – als dem ihm eigenen Material in den siebziger Jahren gefunden. Vorausgegangen war ein Erproben unter-schiedlichster Materialien, Metall und Stein und nicht zuletzt Materialkombinationen verschiedener Art, die eine große Rolle in seinem Frühwerk spielen. Dass Wachter sich von techno-logischen Materialien der Moderne weg und schließlich ausschließlich dem organischen Material Holz zugewandt hat, gibt zu denken und lässt sich nicht allein mit formalen Überlegungen und Erfahrungen begründen. Vielmehr findet auch gedanklich eine Auseinadersetzung statt, die vielleicht auch beim Betrachter zu einem reflektierten Verhalten führen könnte.
Denn: „Am glatt gehobelten Brett, am versiegelten Holz wird die technoide Verletzung und Unterdrückung nicht mehr wahrgenommen, im Gegenteil: Dergleichen kehrt uns, geglättet und geschönt, eine Oberfläche des Heilens zu, und wir sehen nicht mehr, dass dieser partielle Aspekt nur die Kehrseite von Unheil im Ganzen ist. Es ist paradox, dass wir bei Holzplastiken auf den Gedanken kommen, hier sei dem Baum Leid zugefügt worden und es sei schade um ihn, während wir die eigentliche, in der alltäglichen Vernutzung geschehene Verstümmelung gar nicht mehr wahrnehmen“, so der Philosoph Wolfgang Welsch und kommt zu folgendem Resümee: “Inzwischen ist wohl verständlich geworden, inwiefern Wachters Plastik einen neuartigen Umgang mit Natur darstellt, wo Natürliches und Technisches zu einer produktiven Kooperation gebracht worden sind.


Rudolf Wachter ist am 16. Juni 2011 im Alter von 88 Jahren verstorben.

Er war einer der bedeutendsten Holzbildhauer Deutschlands und wurde vielfach ausgezeichnet. 1960 gewann er den Kunstpreis Oberschwaben, 1974 den Schwabinger Kunstpreis, 1977 den Förderpreis im Bereich Bildende Kunst der Landeshauptstadt München, 1990 den Kunstpreis der Stadt Rosenheim, 1993 den Kunstpreis der Landeshauptstadt München. In diesem Jahr wurde er Ehrenmitglied der Akademie der Bildenden Künste München.

Für seine besonderen Leistungen auf kulturellem Gebiet verlieh ihm die Bundesrepublik Deutschland 1995 den Verdienstorden, das Bundesverdienstkreuz am Bande.

Ab den 1970er Jahren bis ins hohe Alter schuf Wachter fast ausschließlich großformatige, abstrakte Holzskulpturen mit der Motorsäge.
...und ein wichtiges Werk seht auf dem Hügel im Gartenschaupark. Seit dem Jubiläum steht auch eine Informationstafel dabei.






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